Der SummerTalk zum „Museum der Zukunft“ feiert seine Premiere. Die Ausgabe #1 startet mit Tanja Neumann aus Frankfurt. Viel Spaß beim Lesen!
SH (Sebastian Hartmann)| Liebe Tanja Neumann, vielen lieben Dank, dass du für meine Blogreihe „Das Museum der Zukunft“ als erste Gesprächspartner zur Verfügung stehst.
TN (Tanja Neumann)| Lieber Sebastian, vielen Dank für die Einladung!
SH | Gerne 🙂 Da das Interview auf einem Blog rund um „Museum und Social Media“ erscheint und wir ja in Zeiten leben, in denen Hashtags mittlerweile Gang und Gebe sind, möchte ich gerne mit eben solchen beginnen. Genauer: Mit einem dreifachen Hashtag-Hattrick. Ich fange mit drei Worten an, die sich in den folgenden Zeilen wohl des Öfteren wiederholen werden: #Besucher #Zukunft #Museum. Jetzt du! Beschreibe dich doch einmal mit drei Hashtags. Keine Angst, am Ende gibt es noch eine kleine, reguläre Vita 😉
TN | Drei Hashtags… Ok: #Museogeek #SocialMediaEnthusiastin #Hundenärrin
SH | Prima! Und nun bitte noch drei Hashtags für das Museum, in dem du tätig bist!
TN | #Kommunikation #Geschichte #Medien

Kinder mit Telefonen. Foto: Michael Ehrhart
SH | So, genug der Hashtags. Wir wollen ja ein bißchen über die Zukunft der Museen bzw. das „Museum der Zukunft“ sprechen. In einer Welt – egal ob heute oder morgen – gibt es immer und überall Konkurrenz. Auch bei den Museen. Was glaubst du, ist das besondere an deinem Museum? Warum kommen die Menschen zu euch und kaufen eine Eintrittskarte? Sind es vielleicht die von dir genannten drei Hashtags?
TN | Da spielen die Hashtags sicher eine Rolle. In der Dauerausstellung vom Museum für Kommunikation, in dem ich arbeite, gibt es tolle Objekte aus allen Epochen der Kommunikationsgeschichte. Da fangen wir tatsächlich in der Steinzeit bzw. den alten Ägyptern an und arbeiten uns vor bis zum Tablet. Und das Besondere ist, dass man zumindest viele davon nicht nur in einer Vitrine bewundern kann. Unsere Besucher können unter anderem in den ersten bayerischen Post-Omnibus von 1905 einsteigen, einen Morse-Telegrafen bedienen, und – vor allem spannend für die Kleinen – lernen, wie man ein Telefon mit Wählscheibe bedient.
SH | Ja, das sind Dinge, die in unserer Zeit heute verschwinden bzw. schon verschwunden sind.
TN | Die Sonderausstellungen – wir haben meistens zwei parallel – thematisieren auch sehr aktuelle Themen. So wird am 2. Oktober „Control“ eröffnet. Da geht es dann um Überwachung im öffentlichen Raum, und auch Facebook wird ein großes Thema sein. Last but not least gibt es pädagogische Programme, bei denen Medienkompetenz eine große Rolle spielt – sei es für Kinder und Jugendliche, Erwachsene oder Senioren.
SH | Sozusagen: Für jeden etwas dabei. Das klingt alles schon mal sehr vielfältig! Gefällt mir. Aber mal anders gefragt: Es ist ja so, dass Menschen, die im Museum arbeiten, dies ja im Allgemeinen mit großer Motivation tun. Oft steckt sehr viel Leidenschaft und Freude an der Materie da drin. Gibt es für dich im Museum einen Lieblingsobjekt oder Lieblingsort, zu dem du jeden Besucher – also auch demnächst mich – hinschleifen würdest?
TN | Spannende Objekte gibt es viele, aber die vielleicht spektakulärsten sind der Räderschlitten (eine Postkutsche, bei der man im Winter während der Fahrt die Räder abschrauben konnte – dann fuhr man mit dem Schlitten weiter!), die Original-Telegramme von der Titanic und der Kuba-Komet. Ohne den gesehen zu haben, verlässt kein Besucher das Haus, wenn ich einen Einfluss darauf habe. Diese Multimedia-Station avant la lettre vereint einen Fernseher, ein Tonbandgerät, einen Plattenspieler und ein Radio – und sieht einfach super aus. Wenn man den Preis auf heute umrechnen würde, läge er übrigens bei 25.000 €…
SH | Wow! Ganz schön viel Geld für eine mediale Maschine. Auf die bin ich gespannt 🙂 Lass uns doch mal über die „Kommunikation“ reden. Heutzutage kommt ja auch ein Museum nicht mehr um das Thema digitale Netzkultur herum. Viel zu groß ist dieses Internet geworden. Oder mal positiv formuliert: Museen können für sich Homepage, Blog, Facebook, Apps und vieles mehr optimal nutzen. Welchen Stellenwert hat dies alles aktuell und in Zukunft für das Museum für Kommunikation und für die Institution Museum überhaupt?
TN | Das ist für ein Museum für Kommunikation natürlich tendenziell noch wichtiger als für andere Häuser – schließlich erwartet man zu Recht von uns, dass wir auch in diesem Bereich Informationen vermitteln und Hilfestellungen geben können. Unsere Auftritte bei Facebook, Twitter, Flickr und YouTube bestehen schon seit 2009, als das für ein Museum noch eher ungewöhnlich war. Für die Pädagogik und einzelne Ausstellungen haben wir auch schon mit Blogs gearbeitet. Für die Institution Museum kann man Social Media meiner persönlichen Ansicht nach gar nicht hoch genug hängen, weil es ein einzigartig unkomplizierter Weg ist, mit seinen Besuchern und anderen Interessierten in Kontakt zu treten. Ich fände es schön, wenn wir in den nächsten Jahren dahin kämen, dass diese Kanäle auch auf die Strukturen innerhalb der Organisationen rückwirken und Fans, Follower etc. so die Möglichkeit bekämen, an der Gestaltung aktiv teilzuhaben. Für das Museum für Kommunikation Frankfurt freue ich mich, sagen zu können, dass sich gerade einiges bewegt – ich habe die Betreuung der Kanäle im April übernommen, und seitdem hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die in Zukunft aktiv mitarbeiten wird. Die Premiere wird morgen durch Kollegen aus der Medienpädagogik bestritten, die von einem Workshop live twittern werden. Außerdem wird es eine Reihe „Objekt des Monats“ geben, die von Mitarbeitern aus der Sammlung und der Kuratorin der neuen Dauerausstellung erarbeitet wird, und (pst!) wir reden gerade über ein „Rotation Curation“-Projekt für die Sommerferien.
SH | Klasse! Wer mich kennt weiß, dass ich ein großer Fürsprecher für gute Webarbeit von Museen bin. Da gefällt mir die Entwicklung, die ihr zur Zeit, in der Vergangenheit und für die Zukunft einschlagt, natürlich besonders gut. Aber was glaubst du, wie sich das Internet und der ganzen „Rattenschwanz“ auf die Besucherzahlen, die ja für Museen sehr wichtig sind, in Zukunft auswirken wird? Böse Stimmen behaupten ja immer wieder, dass die Menschen fern bleiben, weil alles bald im Internet zu sehen sein wird..
TN | Ich glaube, wie du ja auch weißt, dass man sich von dieser engen Verknüpfung von Social Media und Besucherzahlen lösen muss, um das Potenzial des Internets für Museen zu erkennen und zu nutzen. Wenn man nur auf die Gewinnung neuer Besucher abzielt, lässt man sich Vieles entgehen. Auf keinen Fall glaube ich, dass weniger Menschen ins Museum kommen werden, wenn Inhalte online verfügbar gemacht werden. Die Möglichkeit, ein Objekt live zu sehen und eventuell anfassen, fotografieren oder sogar bedienen lernen zu dürfen, wird es weiterhin nur vor Ort geben. Was ich mir aber sehr gut vorstellen kann und an mir selbst schon erlebe, ist, dass die Online-Präsenzen eine Rolle dabei spielen, welche Museen man besucht. Meiner Dissertations-These zufolge leben wir ja schon im „Augmented Social Space“, in dem uns mehr Informationen als früher zur Verfügung stehen: Die, die wir über unsere Sinne bekommen, aber auch die aus dem Netz – und da spielen soziale Netzwerke und deren Apps eine ganz große Rolle. Somit wird der Besucher der vernetzten Zukunft vielleicht besser informiert im Museum ankommen.
SH | Oder er wird im Vorfeld bei der Auswahl seines nächsten Museums positiv vom Museum im Web beeinflusst! So wäre eine meiner Thesen. Beziehungsweise geht’s mir jedenfalls heutzutage oft so. Ich lese bei Facebook, Twitter oder in anderen Netzwerke von einer tollen Ausstellungsidee, sehe erste Fotos von den Objekten oder schaue einen Videotrailer mit ersten Einblicken. Und der nächste Gedanke: Ab ins Museum 🙂 Lass uns doch mal etwas Zeitmaschine spielen. Was werden in 10 Jahren die Highlights bei euch im Museum für Kommunikation sein?
TN | Wenn das mal keine gute Frage ist… Also, einige Highlights werden sicher bleiben. Die historischen Objekte verlieren ja nicht so schnell an Charme. Aber es wird bestimmt neue geben, die jetzt noch gar nicht realisierbar wären – mir schweben da Multimedia-Installationen vor, mit denen der Besucher einen ganz neuen Zugang zur Ausstellung erhält. Wie wäre es zum Beispiel, wenn er die Wahl zwischen verschiedenen Augmented Realities hätte? Also, einmal erzählt ihm eine Dame aus dem 17. Jahrhundert von ihrem Alltag, der Schreibstube, dem Reisen mit der Postkutsche… Beim nächsten Besuch begleitet ihn dann ein Alien, der mit ihm zusammen herausfindet, wie denn nun dieses Reis-Telefon funktioniert, usw.
SH | Wenn das mal keine guten Aussichten sind 🙂 Ich finde ja, Innovation und auch Evolution sind wichtig, um zukunftsfähig zu sein und sich weiter zu entwickeln. Was meinst du, wie weit kann und möchte sich das „Museum der Zukunft“ auf neue Dinge einlassen?
TN | Wenn es nach mir geht, sollte das „Museum der Zukunft“ sich so weit wie möglich auf Neues einlassen! Es wird zwar immer gesagt, dass man einen gewissen zeitlichen Abstand braucht, um „relevante“ von „irrelevanten“ Entwicklungen unterscheiden zu können, aber mal ganz provokativ gefragt – wäre es denn so schlimm, wenn im Museum auch „Sackgassen“ der Geschichte thematisiert werden? Manchmal kann man doch auch aus solchen Beispielen sehr viel lernen!
SH | Durchaus. Es kommt irgendwann ja nur darauf an, die richtigen Konsequenzen zu ziehen und Entscheidungen zu treffen. Daraus entstehen Alleinstellungsmerkmale, die ein Museum besonders machen! Welches war eigentlich das Museum, dass dich persönlich am meisten beeindruckt hat und wo du auch im Rentenalter noch hingehen wirst? Und vor allem: Warum?
TN | Ich fürchte, da gibt es keine ganz eindeutige Antwort. Als Kind hatte ich mein prägendstes Museumserlebnis im Senckenberg-Museum – dort gibt es den Kiefer eines Wals, und ich hatte furchtbare Angst, der könnte mich fressen. Ich war völlig geflasht von der Tatsache, dass der Wal zwar echt, aber völlig ungefährlich war. Mittlerweile bin ich älter geworden und erschrecke mich nicht mehr so schnell. Durch mein Studium beeindruckt mich im Moment vielleicht heute eine Kunst-Ausstellung oder eine, die einem vernachlässigten Stück Alltagskultur zu seinem Recht verhilft etwas mehr. Oder natürlich auch nachwievor eine, die einfach tolle Exponate hat – wie eben der Kiefer des Wals! Für was ich mich im Rentenalter begeistern werde? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Und irgendwie hält das die Sache ja auch spannend…
SH | Richtig, aber beenden wir unseren kleinen SummerTalk zum „Museum der Zukunft“ mit Wünschen und Träumen: Wenn dir der Dschinn aus der Lampe begegnen würde, welche 3 Dinge würdest du dir persönlich als Mitarbeiter und Besucher für das „Museum der Zukunft wünschen?
TN | Die Frage macht mir jetzt Spaß, schließlich heißt mein pelziges Maskottchen ja Jeannie, wie der berühmte Flaschengeist aus der Fernsehserie. Ob ich mal ihr Bäuchlein reiben und mir etwas wünschen sollte? 😉 Aber Spaß beiseite, wenn ich drei Wünsche frei hätte, wären es diese: ein enges Zusammenspiel zwischen Besucher und Ausstellung (in dem Sinne, dass Besuchereindrücke direkt in die Ausstellung zurückfließen, wie immer das technisch realisiert werden würde), Ausstellungen, die immer auf dem neuesten Stand sind (ja, das gilt auch für Dauerausstellungen!) und keine Einschränkungen mehr durch räumliche Gegebenheiten oder Budget (man muss ja nicht immer realistisch sein, oder? 😉 )
SH | Ein gutes Schlusswort! Vielen Dank für deine Zeit und Gedanken zum „Museum der Zukunft“ und heute.
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Tanja Neumann ist 27, wohnt in Erlensee und hat einen Hund namens Jeannie. Sie ist selbstständig und betreut unter anderem im Museum für Kommunikation Frankfurt die Social Media-Präsenzen des Hauses. Zuvor hat sie an der Goethe-Universität Frankfurt Theater-, Film- und Medienwissenschaften sowie Romanistik studiert.
Neben verschiedenen Tätigkeiten im Museumsbereich arbeitete sie jahrelang bei Ikea. Auf ihrem Blog www.museumstraum.de berichtet sie von Tagungen und zu besonderen Themen rund um „Museum und Internet“.